Der Kampf im urbanen Gelände

Vergangene Woche trainierte sich das Bataillon in Übungen auf Gegenseitigkeit. Die Kompanien konnten ihr Können in Angriff und Verteidigung weiterentwickeln.

Die Verteidigung im urbanen Gelände erwies sich als wesentlich einfacher als der Angriff auf eine gehärtete Stellung.

In der zweiten WK-Woche fanden während drei Tagen Übungen auf Gegenseitigkeit statt. Die Stabskompanie plazierte bereits in der Vorwoche mehr als 15 Tonnen Stahlspinnen und viel zusätzliches Material, um das Gelände realistisch vorzubereiten. Jeweils am Vorabend eines Übungstages richtete sich dann eine Kompanie zur Verteidigung ein, indem sie die Häuser und Strassen des Übungsdorfes mit Absperrgittern, Sandsäcken und Stacheldraht zu einem Stützpunkt ausbaute. In der Nacht wurden sie von den Spähern der Angreifer beobachtet, welche präzise Lagekarten lieferten. Am Folgetag griff dann eine Kompanie aus vorgegebener Richtung an, was mit den Lasersimulatoren ausgeführt und dank 10 Übungsleitergehilfen, mehreren Kamerateams und GPS-Sensoren bei allen Kadern und Soldaten akribisch ausgewertet wurde. Nach 24 Stunden wurde der Verteidiger zum Angreifer und eine neue Kompanie richtete sich im Stützpunkt ein, so dass nach drei Tagen alle drei Kompanien beide Rollen ausgeübt hatten.

Die Kompanien beübten sich gegenseitig. Das bedeutet, dass die Leistungen beider Kompanien beurteilt wurden. Es zeigte sich konsequent, dass eine in der Häuser- und Ortskampfanlage verschanzte Kompanie einen massiven Vorteil gegenüber dem Angreifer hatte. Dies war keineswegs überraschend, denn der Angriff im überbauten Gelände gehört zu den verlustreichsten Einsätzen der Infanterie überhaupt. Obwohl die angreifende Kompanie jeweils durch die Beobachtung und das Präzisionsfeuer der Späher, die Drohnenaufklärung und das (simulierte) Minenwerferfeuer verstärkt wurde und zusätzlich im logistischen Bereich mit der Verwundetenversorgung und Munitionsnachschub Unterstützung erhielt, blieben damit alle drei Kompanien chancenlos. Dennoch wurden die Schulungsziele erfüllt, denn alle Kompanien hatten in beide Verfahren grosse Fortschritte erzielt, nachdem solche Szenarien seit Jahrzehnten nicht mehr trainiert wurden. Zudem gewannen die Infanteristen Vertrauen in die Erfahrungswerte ausländischer Armeen, dass ein verteidigendes Bataillon je nach Vorbereitung 5 bis 10 gegnerische Bataillone aufzuhalten vermag – eine Erkenntnis, die dem Soldaten eines sich verteidigenden Kleinstaates durchaus Mut verleiht.

Mit Feuer und Bewegung versuchten die Trupps Haus um Haus zu stürmen, zu säubern und so den Raum für sich zu gewinnen. Die neu eingeführte Mini-Drohne, welche die Späher bedienen, war für die Angreifer eine grosse Hilfe, da sie dem Kompaniekommandanten einen Überblick über die aktuelle Lage verschaffte. Ungewohnt für die meisten, wurden auch Hauptfeldweibel und Fouriere in die Übung einbezogen, um ihre Verantwortung in der Logistik wahrzunehmen. Die Verteidiger lernten, dass sie mitnichten auf der Stellung «sitzen» dürfen, sondern nur mit gezielten Gegenangriffen und Gegenstössen dem Gegner den entscheidenden Schlag versetzen konnten. Die Mannschaft konnte zahlreiche Punkte mitnehmen, doch die Kader auf allen Stufen standen im Mittelpunkt der Ausbildung. Mit den Learnings der Unteroffiziere und Offiziere wurden die Voraussetzungen für das mehrtägige Eigentraining in der Abschlusswoche geschaffen.

Die Soldaten und das Kader fühlen sich nun bereit für die Aufgabe, die ihnen in der letzten WK-Woche gestellt wird. In einem viertägigen Eigentraining wird das Bataillon dann in seiner gesamten Komplexität üben. Jetzt müssen nochmals alle Kräfte mobilisiert werden, um den Endspurt zu bewältigen.

 

Quelle: Gebirgsinfanteriebataillon 29, Wm Joël Bürgler
Bildquelle: Schweizer Armee