Schweizer Armee: „Ich ziehe meinen Hut“

Lucas Caduff ist Divisionär, Kommandant der Ter Div 3 und seit über 40 Jahren in der Armee. Es war sein letztes WEF, Ende Juli wird er pensioniert.

Ein Rückblick mit ihm auf das diesjährige WEF, ein Ausblick auf die Zeit nach Juli und die Frage nach dem weinenden und lachenden Auge.

Herr Kommandant, Sie wirken tiefenentspannt. Entweder ist das bei Ihnen immer so, oder Sie sind froh, dass der diesjährige Einsatz zugunsten der Sicherheit am WEF vorbei ist.

Eine tolle Einstiegsfrage (lacht). Grundsätzlich bin ich immer tiefenentspannt. So schnell bringt mich nichts mehr aus der Ruhe. In meinen vielen Jahren als Berufsmilitär und Kommandant habe ich schon so einiges erlebt. Da bringt mich kaum mehr etwas aus dem Konzept.

Sie haben auch gute Leute um sich herum.

Richtig, darüber bin ich froh und dankbar. Einerseits leisten meine engsten Mitarbeitenden im Stab und auf dem Kommando der Ter Div 3 einen hervorragenden Job, andererseits kann ich mich voll und ganz auf meine Milizoffiziere verlassen. Sie alle geben sich Mühe und erbringen beste Leistungen.

Volles Vertrauen.?

Ja, meine Leute geniessen vollstes Vertrauen von mir. Ich denke, Vertrauen ist die Voraussetzung, um überhaupt Verantwortung übertragen zu können. Wenn ich jemandem nicht über den Weg traue, dann bringt eine Zusammenarbeit so oder so nichts.

In Sachen Personal können Sie also auch tiefenentspannt bleiben. Sie geniessen ein ruhiges Leben, oder?

Ich zeige Ihnen gerne mal meine geleisteten Arbeitsstunden pro Woche (lacht). Als Kommandant einer Division bin ich für die Führung von Hunderten von Armeeangehörigen zuständig. Das ist eine zeitintensive Arbeit und vor allem verantwortungsvolle Aufgabe. Zu meiner Arbeit gehören auch regelmässige Lagerapporte, Eventualplanungen und überhaupt der Austausch mit wichtigen Schnittstellen zwischen Kommando und eingesetzten Einheiten. Auch bin ich oft unterwegs, so auch während des Weltwirtschaftsforum. Die Truppen sind an zahlreichen Orten stationiert. Hinzukommen Treffen mit Vertretern aus Politik, Behörden und auch Armee.

Unter anderem waren der Chef der Armee sowie die Verteidigungsministerin auf Truppenbesuch. Machen Sie solche Führungen durch den Einsatzraum gerne?

Ja, das mache ich gerne. Es ist meine Aufgabe als Kommandant, mit Menschen in Kontakt zu sein. Das ist enorm entscheidend. Im Gespräch ergeben sich manchmal wichtige Inputs für die Zukunft.

Wie meinen Sie das?

Ganz konkret. Wenn beispielsweise jemand auf einem Standort etwas beobachtet und danach fragt, weshalb es so gemacht wird. Hier entstehen plötzlich neue Einsichten und Optimierungsmöglichkeiten.

Aber Hand aufs Herz. Irgendwann hat man es doch gesehen mit der Tour durch den Einsatzraum…

Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage (lacht). Ganz ehrlich: Es ist tatsächlich nichts Neues mehr, wenn ich die Truppenstandorte während des WEF besuche. Ich kenne sie alle und weiss, was dort passiert. Das ist aber nur aus meiner Sicht so. Wenn ich, wie kürzlich, mit der Verteidigungsministerin Viola Amherd unterwegs war, so war es für sie das erste Mal. Und wenn ich dabei sehe, dass sie oder auch andere….

… zum Beispiel der Chef der Armee

Genau, wenn diese Leute sich beeindruckt zeigen von unserer geleisteten Arbeit, dann bin auch ich als Kommandant zufrieden. Das macht mich stolz.

Stolz auf ihre Soldaten und Kader?

Sehr stolz. Ein Beispiel dazu: Während des Assistenzdienstes zugunsten des WEF befinden sich jeweils auch Verbindungsoffiziere aus Österreich und Italien bei uns. Sie sind begeistert von unserem Milizsystem, weil es funktioniert. Wir sind somit auch für unsere Armeen im benachbarten Ausland ein gutes Beispiel und glaubwürdiger Partner.

Wenn Sie den diesjährigen Assistenzdienst der Armee am WEF mit anderen Jahren vergleichen. Wo liegen die grossen Unterschiede?

Zuerst: Wir optimieren und verbessern laufend Strukturen, Abläufe und Einrichtungen. In dieser Sache konnten wir uns in den letzten Jahren beachtlich steigern. Als Beispiel nenne ich die Sanitätshilfsstelle in Davos. Sie ist nicht einfach nur mehr eine normale San Hist, sondern bildet ein echtes Rettungszentrum. Wir können dort Personen stationär behandeln und auch Notoperationen durchführen, sollte dies notwendig sein. Zudem ist seit wenigen Jahren für den Fall der Fälle eine Dekontaminationsstrasse eingerichtet. Weiter haben wir mehr Erfahrungen im Einsatz mit Minidrohnen sammeln können. In diesem Bereich können wir uns aber noch verbessern und optimieren.

Was wollen Sie bei der Truppe verbessern?

Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Es ist ein ständiges Lernen und Anwenden. Besonders wichtig ist mir, dass am WEF jedes Jahr ein anderer Verband eingesetzt wird. So haben alle die Chance, sich in einem Echteinsatz beweisen und mit Leistungsfähigkeit überzeugen zu können. An dieser Stelle möchte ich dem heuer eingesetzten Infanteriebataillon 65 danken. Kommandant, Stab und Truppe haben einen super Job gemacht. Das ist nicht selbstverständlich. Denn das 65zig war vor einem halben Jahr bereits während der Ukrainekonferenz in Lugano im Dienst und jetzt am WEF wieder. Die Konzentration dabei aufrechtzuerhalten ist eine Herausforderung.

Und wie hat es mit den zugewiesenen Truppen der Hundeführer und Militärpolizisten funktioniert?

Die Hundeführer leisten mit ihren Hunden eine wichtige Arbeit und erhöhen dadurch die Sicherheit während des WEF beträchtlich. Gleiches gilt für die Militärpolizei. Die Zusammenarbeit mit den Infanterietruppen bildete einen bemerkbaren Mehrwert.

Es war ihr letztes Weltwirtschaftsforum als Kommandant der Ter Div 3 und überhaupt als Berufsmilitär. Was waren Ihre schönsten Momente am WEF?

Das ist keine einfache Frage. Sehr viel Freude machen mir die vielen Begegnungen und der Austausch mit den vielen im Einsatz stehenden Menschen. Für mich war es aber immer auch eine Freude zu sehen, wenn wichtige Verantwortungsträger sich überzeugt von unserer Arbeit zeigen. Konkret: Wenn ich beispielsweise mit dem Chef der Armee spreche und er mir zu erkennen gibt, dass wir einen guten Job machen. Das freut mich einerseits persönlich, andererseits freut es mich auch für alle Soldaten und Kader. Denn nur im Miteinander kann es uns gelingen, die Aufträge zu erfüllen.

Und sonst?

Sonst sind es die kleinen Dinge, die ich als schöne Momente in Erinnerung behalte. Das fängt schon damit an, wenn mir jemand einen Gruss von jemandem ausrichtet. Ein Soldat beispielsweise, dessen Vater mich grüssen lässt, weil dieser mich kennt. Leute erinnern sich an mich, das ist schön.

Bald können auch Sie jemanden im Militär grüssen lassen. Ende Juli werden Sie pensioniert. Ich nehme an, Sie gehen mit einem weinenden und lachenden Auge.

Ja, das wird so sein. Ich mache meinen Job sehr gerne. Am Morgen stehe ich auf und darf zur Arbeit gehen, mit Betonung auf „darf“. Nach über 40 Jahren in der Armee kenne ich sehr viele Leute, habe Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen. Hier besteht bei mir tatsächlich eine Ungewissheit und damit verbunden ein weinendes Auge.

Wie meinen Sie das?

Ich weiss nicht, ob die Kontakte während meiner Zeit nach der Armee aufrechterhalten bleiben. Mal schauen.

Und ihr lachendes Auge?

Nun, ich habe während meiner beruflichen Zeit in der Armee auf sehr viel verzichten müssen, zum Beispiel in meinem Privatleben. So möchte ich wieder mehr Zeit mit meiner Frau und meiner Familie verbringen. Ein grosser Wunsch von mir ist es, auf längere Reisen zu gehen, Länder und Kulturen zu entdecken und einfach das Leben zu geniessen.

Und wo soll es hingehen?

Südamerika wäre toll. Da möchte ich schon lange mal hin. Aber vielleicht sagt dann auch meine Frau, wo es hingeht (lacht).

Und wenn Sie nicht gerade auf Reisen sind, wie möchten Sie die Zeit im Ruhestand sonst noch füllen?

Ach, ich habe viele Ideen. Unter anderem bin ich im OK des nächsten eidgenössischen Schützenfestes 2026 und auch habe ich vor, in einen gemischten Chor einzutreten. Meine Frau singt dort bereits.

Eine gute Idee, Singen soll bekanntlich gesund sein.

Sofern man die richtigen Töne trifft (lacht).

Zum Schluss, was wollen Sie den Soldaten und dem Kader mit auf den Weg geben?

Ich möchte mich bedanken. Soldaten und Kader leisten hier am WEF und auch sonst einen super Job. Es braucht die Zusammenarbeit über alle Stufen und Funktionen. Die Armee ist ein Team. Wer egozentrisch durch das Leben geht, findet zu keinem Ziel, davon bin ich überzeugt. Wo es der Gemeinschaft gut geht, da geht es dem Individuum auch gut und dann erreicht man gemeinsam Ziele, hohe und löbliche Ziele. Einmal mehr hat auch der diesjährige WEF-Einsatz gezeigt, dass die gegenseitige Unterstützung enorm wichtig ist. Ich habe grossen Respekt vor allen im Dienst stehenden Leuten, egal ob Armee, Polizei oder zivile Sicherheitskräfte. Sie tragen alle mit ihrer Arbeit zur Gemeinschaft und damit zum Erfolg und Wohlergehen aller bei. Danke dafür, ich ziehe meinen Hut.

 

Quelle: Schweizer Armee
Bildquelle: Schweizer Armee